Abendrauschen [SoSo] | #flussnoten

Rußige, rissige Hände. Müde Beine. Voller Bauch.

So sitze ich hier, mit Irgendlink, an einem Grillplatz fünfhundert Meter nach Danis. Direkt am Wander- und Radweg. Das Feuer im Grill ist zu Glut zusammengefallen. Daneben die Wäscheleine mit den sauberen Kleidern. Ich habe im Brunnen nebenan, von Quellwasser gespiesen, gewaschen. Noch haben wir das Zelt nicht aufgebaut. Zwar steht kein „Campieren verboten“-Schild, doch wollen wir ja niemanden verärgern. Andererseits haben wir bisher fast ausnahmslos freundliche Menschen getroffen. Vor uns ein abschüssiges Waldstück, dahinter, darunter der Rhein – wieder wilder als vor Danis, wo ein Wasserkraftwerk den wilden Fluss in seine Schranken gewiesen hat, um ihn – kurz danach – wieder freizulassen. 

Ich bin sehr müde. Die Wochenendeinkäufe, in Trunt eingekauft, haben das Rucksackgewicht erhöht, die nicht getragenen Jacken ebenfalls. 

Wie andere zwanzig Kilometer schaffen, frage ich mich oft. Andererseits tragen ja auch nicht alle Zelt und Schlafsack, Kocher und Futtervorräte herum. Auf Jakobswegen, zum Beispiel, braucht es einiges nicht – man denke an die Herbergen.

Rauf und runter ging es auch heute, nach Trun vor allem, den das Tal ist eng und mit Zug, Straße und Fluss schon voll. So führen die Wander und Mountainbike-Wege eben bergauf.

Eine herrlich abwechslungsreiche Strecke war das, perfekte Wandertemperatur, sonnig, leicht windig, und so mag es gerne weitergehen. Mit morgen wieder ein bisschen leichteren Säcken am Rücken. 

Eben hat sich die Sonne hinter den Bergen versteckt und hinter meinem Rücken rattert ein Zug vorbei. 

Mir ist, als wäre ich schon immer unterwegs, so, und als wäre der Alltag unwirklich. Weit weg ist er. Vor hundert Jahren, wäre ich so auf Wanderschaft, hätte ich erst viele Tage später von Ereignissen irgendwo anders auf der Welt erfahren. Hier und jetzt kann ich nichts ändern, das woanders als hier geschieht. Bruchstückhaft erfahre ich von Nizza und Erdogan. Tun kann ich nichts außer mich empören und mittrauern. 

Aber ich kann Fuß vor Fuß setzen und mich mit meiner Komfortzone auseinandersetzen. Noch keinen Moment habe ich an unserm Wanderprojekt gezweifelt. Es nährt mich, hier unterwegs zu sein.

(Potentielle) Sinnhaftigkeit oder (vermeintliche) Sinnlosigkeit ist womöglich immer eine Art persönliche Entscheidung.

Und: Wem gebe ich Futter, dem Jammer, den unlösbaren Problemen oder eher dem, was mir gut tut, mir, uns, auch andern?

Gut tut es, den Blick schweifen zu lassen, ins Grün, ins lachende Gesicht des Liebsten, zum Himmel, der Sonne, den Bergen.

Ich fühle mich, trotz Zipperlein da und dort, beschenkt, bin dankbar, froh – auch weil ihr da seid, liebe LeserInnen und uns den Rücken stärkt. Danke.

Da nehmt: Das hier ist der Stoff, aus dem die Klischees der Schweiz gewoben sind. Diesen Stoff gibt’s in echt. 

Schweizerfahne vor Schneebergen. Blauer Himmel mit Federwolken.
Jetzt wird’s kühl. Das Zelt ruft.
Strecke des 8. Tages:

Screenshot vom iPhonedisplay. Kartenausschnitt zeigt heutige Wanderstrecke.

7 thoughts on “Abendrauschen [SoSo] | #flussnoten


  1. Ach, schön — geht, geht! Die Welt dreht sich auch, wenn ihr euch nicht dran aufreibt; und oft denke ich, so wär’s auch richtig. Im Nachgang kann man ja nicht viel tun, selbst vorher sind die Möglichkeiten der Einzelnen begrenzt. Euch geglückten Schritt vor guten Schritt!

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