Das musste ja kommen. Irgendwann. Es wäre ja auch zu schön gewesen, eine solche Wanderung ohne Krisen zu schaffen. Ich Hobby-Heldin, bin eingeknickt. Gestern. Nein, nicht mit den Füßen. Mit den Beinen auch nicht. Metaphorisch dafür und nun ja, körperlich schon auch ein wenig. Zuerst, nach einer unserer gestrigen, hitze- und teerbedingten Pausen in einem Gewerbegebiet zwischen Triesen und Vaduz, war es der Rücken. Beim Rucksackanziehen eine Art Hexenschuss.
Ich kann zwar noch immer gehen, aber es tut weh und ich lahme auf der rechten Seite. (Heute ist der Schmerz zum Glück wieder weg.)
Irgendwie ist seit eh der Mittagspause der Wurm drin. Nur noch Wege ohne Schatten. Dazu hat Liechtenstein hier kaum Brunnen. Das abgekochte Rheinwasser geht zu Neige. Die Schwülness nimmt zu, ich werde gereizt, weil der Teer nicht endet und die Regenwolken näher rücken. Von möglichem Zeltplatz keine Spur. Immerhin Unterstellplätze.
Irgendwann dann doch die auf der Karte angezeigten Wiesen. Pferde, die weiden. Beim ersten Pferdehof wollen wir für ein Nachtlager oder Schlafen im Stroh anfragen, doch niemand ist da. Nur Reiterinnen, die uns zum Western-Saloon hundert Meter daaa lang schicken.
Mist. Dort dürfen wir auch nicht lagern, wegen „keine Bewilligung“. Dieses Liechtenstein verscherzt es sich so langsam mit mir. Ist ja kleinkarierter als die Schweiz. Ich grummle. Wir trinken Bier. Auf dem Klo packe ich eine halbe Klopapierrolle mit ein – mit kindlichem Trotz.
Etwa zweihundert Meter weiter, kurz vor der möglicherweise 20. Rheinüberquerung (zurück in die Schweiz) finden wir ein Stück Brachland, bauen das Zelt während es bereits tropft, auf, werfen die Nachtdinge hastig ins Innenzelt … und uns auch gleich hinterher.
Bald regnet es sich ein. Ich lese, Irgendlink döst. Ich schreibe einen Blogartikel über meine sinkende Motivation angesichts des schlechten Wetterberichts, zu erwartender Teertippeleien und wachsendem Lärm aufgrund von mehr Straßen und mehr Agglomerationen, mehr Menschen, immer weniger Freiräune zum Wildzelten. Beim Hochladen zickt die App, weil das Netz zu lahm ist. Der Artikel verschwindet im Datennirwana und meine Stimmung sinkt weiter. Auch sinkt mir der Mut, ich bin unglücklich, unmotiviert.
Bis zum Rheindelta am Bodensee sind es nur noch etwa fünfundvierzig oder fünfzig Wanderkilometer. Umwege machen, mag ich nicht – obwohl tolle Kunst in der Nähe lockt, die wir gucken gehen wollten.
Ist es wirklich unser Ziel, auf Gedeih und Verderb, diesen verflixten Bodensee zu erreichen? Muss ich, will ich? Wäre es Scheitern, wenn wir uns heute in den Zug setzten und nach Hause führen? Ist es vielleicht nicht einfach genug – so, wie es ist?
Und wer sagt mir, uns, wann es genug ist, wenn nicht ich, wir selbst?
Und wäre das schlimm, selbst wenn es Scheitern sein sollte?
Irgendlink hat uns gestern Abend nach seinem Nickerchen ein leckeres Süppchen gekocht, vom Zelt aus, im Vorzelt. Herzfutter.
Nachts hat es kaum geregnet, dafür regnet es jetzt wieder. Die Akkuvorräte sind halb aufgebraucht.
Vielleicht besteht ja diese Heldenprüfung darin, zu sagen: es ist vollbracht. Jetzt. Hier. Und zu sagen: Genug. Und auch: Gut so.
Die Entscheidung liegt einzig bei uns.
ja, die entscheidung liegt einzig bei euch. wem ist geholfen, wenn ihr nur noch regennass vorwärts kommt und die laune immer weiter sinkt?
wie auch immer ihr euch entscheiden werdet, es wird das richtige sein 🙂
hier wird übrigens regen inzwischen sehnlichst vermißt. so kann es gehen.
Nimm, hier ist es feucht genug für euch. Trotz nicht regnen.
Und ja, Danke, das ist wahr!
Salü Soso,
Eigentlich hätte ich mit Dir Mitleid haben sollen, als ich diesen Blog las, aber er ist so gut geschrieben, dass ich schmunzeln musste und ich würde deine Bücher kaufen, sofern Du Schriftstellerin wärst. . ..
Tschüss.
Das hier wird ein Buch – hoffentlich sogar eins aus Papier. (Und ich bin Schriftstellerin. Nämli ? … wenn auch noch kaum in gedruckter Form von den Anthologien mal abgesehen.)
Dein Kompliment freut mich sehrsehr. Bei meiner Momentaufnahme ging es mir ganz und gar nicht um Mitleid, eigentlich nur um das Zeigen der eher ungemütlichen Aspekte des Fernwanderns. Jetzt haben wir einen feinen Campingplatz, in Buchs SG, gefunden und die Sonne prahlt und knallt.
*Grüesslis*
Scheitern? Nein, wenn du es nicht als solches fühlst. Scheitern … vor wem? Das Ziel habt ihr euch gesteckt, wenn es nicht erreicht wird hat es seine Gründe und wie ich dich so lese sind es tiefe Gründe und keine Laune, die mal eben ja sagt und dann wieder nein.
Ich folge euch weiterhin, auch mit dem Zug Nachhause 😉
herzlichst
Ulli vom Regenschauerberg
Ach duuu, dankeee. Es ist wohl eine dieser diffusen Sinnkrisen, die ich bestens kenne. Mal schauen, was das Wetter macht. Die Sonne scheint hier in Buchs auf dem Campingplatz Buchs und mir geht’s besser. ?
das lese ich wieder richtig gern 🙂
und jetzt gleich den neuen Artikel …
Dankeee.
Hallo SoSo,
es ist jetzt zwar ein banaler Allgemeinplatz, aber irgendwann kommt so ein Tiefpunkt einfach. Hoffentlich hat sich mit der Sonne, die wiedergekommen ist, auch Deine Stimmung wieder gebessert: Sonne drinnen und drauen, wie Mary und ich häufig sagen.
Viel Glück auf den letzten Kilometern,
Pit
Jaaa, sehr. Wir sind trotz Platzregen wieder guter Dinge. Trotz feuchtem Wetterbericht. Mal schauen, wie es morgen wird.
Dankeee!