Der Tag fängt sehr schön an, das erste Wanderstück nach Ernen macht richtig Laune und den Einkauf können wir sogar mit Euronen bezahlen. (Fragt nicht nach dem Wechselkurs.) Das Dorf Ernen scheint ein wuseliger Ort mit einem Mix aus Einheimischen und Tourist•innen zu sein.
Je tiefer wir wandern, desto mehr Menschen, Häuser, Industrie (Holz vor allem) sehen wir. Es ist gut warm. Auf dem Pfad runter nach Lax versuche ich ziemlich erfolglos von der einen oder anderen Bewässerungsanlage geduscht zu werden.
Wir haben entschieden, die Rhôneseite zu wechseln, weil es drüben weniger ins Gebirge hoch geht, um rhôneabwärts zu gelangen. Drüben gibt es wohl mehr Talwege, oder solche, die oberhalb der Ortschaften verlaufen.
Da wir nur klein gefrühstückt haben, ich noch ohne Pfannenbrote im Magen, werden wir langsam hungrig. Es ist, wie gesagt, gut warm und der Himmel blau und wolkenlos. Wir beschließen kurz vor Lax, schon auf der anderen Rhôneseite, eine späte Frühstückspause einzulegen. Mitten auf einem kleinen Wiesenweglein finden wir ein Schattenplätzchen, wo sogar die Hängematte zum Einsatz kommen darf, aber den Trangia, zum Backen meiner Pfannenbrote, können wir hier leider nicht aufbauen. Zu gefährlich, dörres Gras und so.
Ich muss also kurz umdenken, wie ich mich satt bekomme. Wie gut, dass ich Chips gekauft habe! Die fast einzigen, die ich sicher – wegen Raps- statt Sonnenblumenöl – vertrage. Und Maiswaffeln und Dörrfrüchte habe ich auch noch. Jürgen isst Walliserbrot mit Käse. Die Siesta tut gut, wir wechseln ab mit Hängematting und ich kann ein bisschen verpassten Nachtschlaf nachholen.
In Lax versuche ich im Volg ein neues Ladekabel für mein Milli (wie ich meine Powerbank nenne), zu kaufen statt des kaputtverbogenen. Hat es leider nicht, dafür Maiskolben. Und eine Dose Bier für den Liebsten.
Bei einem Spielplatz netzen wir unsere Kopfbedeckungen und füllen wir die Wasserflaschen, bevor wir bergan steigen. Richtung Martisberg wollen wir, um dann bei Betten Talststation wieder die Rhôneseite zu wechseln. So der Plan.
Pläne sind eins, die Realität eine andere. Es ist Teerstraße, es ist heiß, es hat Verkehr, es geht bergan. Und auf einmal ist da dieser Abzweig nach Grengiols. Da rauf oder da rüber? Wir gucken Karte und entscheiden uns für da rüber, nach Grengiols. Na ja, der Wanderweg führt nah an der Furkastraße vorbei, aber sonst sieht sie ganz oke aus und am Ende könnten wir nach Grengiols absteigen und von da wären wir auch schon bald in Betten Talstation.
Machen wir. Klingt einfach. Der Weg ist auch wirklich ziemlich gut; unterwegs dieser Flow, den ich so liebe. Gehen ohne über Rucksackschwere, Schulterdrücken, heiße Füße etc. nachzudenken. Einfach gehen, im Halbschatten, alles akzeptierend wie es ist, nicht ideal, aber halt so, wie es ist. Schritt um Schritt.
Kurz vor Grengiols sitzen wir eine ganze Weile auf einer schattigen Bank. Die Bauernleute mahdeln das trockene Heu maschinell und von Hand, das schließlich motorisiert auf den Ladewagen gebracht wird.
Wir beide verhandeln das nächste Wegstück: Der Wanderweg nach Betten Talstation sieht nach Teerstraße aus. Ich mag keine Teerstraßen mehr gehen.
»Wir könnten eine Station zugfahren?«
Da kommt eibe alte Frau in Kittelschürze auf uns zu und will das Bébé gucken, für das sie meinen Rucksack gehalten hat. »Schade!«, sagt sie und hat irgendwie sogar recht.
Vor Grengiols dann einer meiner steilsten Abstiege ever mit Vollgepäck. Schmal, steil, furztrockener Wiesenboden. Dazu Hitze from hell. Ich bin verdammt froh, Wanderstöcke zu haben. Endlich unten. Im Schatten der Eisenbahnbrücke dann kurze Siesta. Wasser trinken.
Bis zur Station geht es nochmals runter und rauf auf Teerstraßen und endlich sind wir dort. Zehn vor fünf, zwanzig Minuten Wartezeit. Einen Billettautomaten gibt es nicht. Onlinekaufen? »Oder beim Schaffner kaufen!«, wie Irgendlink vorschlägt. »Kondukteur!«, sage ich.
Der Zug verspätet sich und ist gut voll. Wir stehen im Gang und sind froh, dass es nur ein sehr kurzes Stück ist. In Betten Talstation könnten wir mit der Luftseilbahm auf die weltberühmte Bettmeralp hoch und Gletschern beim Schmelzen zugucken. Stattdessen suchen wir den Wanderweg zum Weiler Vogelturm, um uns wieder auf die zuhause angedachte Spur zu bringen.
Nach einigen Suchen finden wir den Aufstieg. Er ist mindestens so steil wie der Abstieg nach Grengiols. Und ähnlich lang. Nur ein wenig schattiger. In Vogelturm vergessen wir die Flaschen aufzufüllen, da wir fälschlicherweise noch einen späteren Brunnen erhofft haben. Der Kartencheck bei der ersten Kurve nach dem Weiler, Schattenpause, zeigt: Nein, das war der letzte Brunnen. Ich spaziere in Sandalen und ohne Rucksack nochmals die paar hundert Meter zurück zum Weiler, fülle die Flaschen, wasche mich notdürftig, die Füße auch, und stapfe erfrischt zurück zum wartenden Irgendlink. Ein letztes Stück bergan auf Teerstraße, dann der Wanderwegabzweig und schließlich bauen wir an der einzigen breitgenugen Stelle unser Nachtlager auf. Diesmal nur zwei Liter Wasser, ohne Waschwasser im Wassersack, da es keinen Bach gibt hier. Klasse Platz! Es windet heftig beim Zeltaubau, sodass Irgendlink ein paar zusätzliche Heringe schnitzt.
Maiskolben und gebratenes Gemüse und Sakat sind ideal bei wenig Wasser. Köstlich.
Die totale Erschöpfung lässt uns früh zu Bett gehen. Ich schlafe wie eine Bärin und regeneriere mich sehr gut. Was so ein Körper doch alles so kann!
Heute geht es auf dieser Rhôneseite weiter. Schauen wir mal!
Puh, das klingt ja schon beim Lesen anstrengend.
Gutes Weiterwandern, ihr Lieben!
Danke, du Liebe!