Ich gestehe, dass es mir damals, im Frühling vor sechs Jahren, als ich das erste Mal mit Irgendlink durch die Lande reiste – durch Nordspanien und Südfrankreich war es – schon ein bisschen seltsam vorkam, nicht zu wissen, wo wir am Abend das Zelt aufbauen würden. Damals haben wir, des Autos wegen und weil in den südlichen Ländern die Sache mit dem Wildzelten nicht ganz soo einfach ist, auf Campingplätzen gezeltet. (Oder, wer weiß, vielleicht auch, weil ich es damals noch nicht kannte, das Wildzelten, und mich Irgendlink ganz langsam damit vertraut machen wollte?)
Nicht zu wissen, wohin die Reise am nächsten Tag gehen und wo er ausklingen würde, fand ich damals sehr ungewohnt. Auch das Reisen um des Reisens willen, also das Reisen an sich, das tägliche Weiterziehen kannte ich bis dahin nicht wirklich – von den Interrailtouren als junge Frau mal abgesehen. Ich kannte Ferien vor allem so, dass man an einen Ort fuhr, dort blieb, Tagesausflüge machte und am Ende der Ferienzeit wieder nach Hause fuhr. Also ungefähr so, wie wir in den letzten Jahren unsere Jahreswechseltage verbrachten.
Aber Reisen um des Reisens willen? Ich mag das. Ich mag es inzwischen sogar, am Morgen nicht zu wissen, wo wir am Abend das Zelt aufbauen werden. Die am Anfang damit verbundenen Ängste habe ich genau angeschaut. Sie heißen: Wir finden keinen Platz und können darum nicht schlafen; ich kann mich nicht erholen, wir können nicht kochen und nicht essen. Wir frieren. Wir darben. Wir leiden.
Nicht ein einziges Mal haben sie sich bewahrheitet, meine Ängste. Weder auf unseren Touren durch Spanien und Frankreich, noch auf unseren Touren durch Skandinavien, die wir in den letzten Jahren – meistens wild zeltend übrigens – unternommen haben. Glück gehabt? Nun ja, ich habe mich natürlich auf Irgendlinks Erfahrungen als Europenner verlassen dürfen. Aber ich bin heute fest überzeugt, dass meine grundsätzlich guten Erfahrungen und Erlebnisse nicht nur seinen Erfahrungen zu verdanken sind, sondern auch meiner veränderten inneren Haltung. Dem langsam wiedergefundenen Vertrauen ins Leben, in die Natur, in die Menschen auf dem Weg. Die Lagerplatzsuche stellt zwar noch immer JEDEN Tag neu eine große Herausforderung dar. Aber erst, wenn es so weit ist. Denn der Platz muss irgendwie passen – mindestens suboptimal muss er sein, dennoch ist mir die Suche zur Parabel geworden: Es gibt immer eine Lösung. Ein Satz, mit dem ich – Vaterseidank! – groß geworden bin und an dem ich natürlich auch immer mal wieder zweifle, allerdings nur, um immer wieder neu zu erkennen, dass er – zumindest im Kleinen, im Alltäglichen – wahr ist. Oder zumindest wahr wird vielleicht. Weil ich ihn glaube.
Wie viel Ziel brauche ich im Voraus? Wozu?
Frau Rebis hat heute in ihrem Reiseblogartikel über die Frage nachgedacht, ob (und falls ja, wie) man zukünftige Dinge beeinflussen kann. Und ob es sinnvoll ist, es zu tun, so es denn möglich ist. Im Nichtwissen, was wird. Im Nichtbeinflussenkönnen der Dinge. Fatalismus oder Weisheit? Oder vielleicht eine Art Urvertrauen gar?
Zumal sich beim Reisen unsere Perspektiven zu alltäglichen Dingen, Bedürfnissen und Strukturen eh verschieben. Die Wahrnehmung im Umgang mit der Zeit ganz besonders.
Die innere Uhr übernimmt. Sie korrespondiert mit dem Körper und zeigt an, wann wir Pausen, Nachschub an Flüssigkeit und Nahrung brauchen. Und Ruhe. Das innere Ohr, das innere Wissen kann endlich wieder agieren.
Ich schweife ab. Und ich lobhudle mal wieder. Ich lobhudle mir das Leben in der Natur, im Unterwegssein noch schöner als es ist, denn noch immer stehe ich in meinem Wieder-im-Alltag-Sein ein bisschen neben der Spur.
Noch immerbin ich nicht mehr dort, aber auch immer noch nicht ganz hier. Und die Zukunft, ja, die Zukunft ist weit weg.
Da ist nur der Tag. Das Jetzt.
Und diese Gegenwärtigkeit muss ich mir jetzt ja irgendwie wieder abgewöhnen, wo es doch darum geht, meine Zukunft neu einzufädeln. Noch besser wäre es, sie zu integrieren. Ja.