Tag 0 | #Flussnoten

[SoSo] – Noch fließen keine Flüsse neben mir her, doch Schweissbäche waren es, die mir gestern, als ich Irgendlink auf seinem Weg per Rad in die Schweiz entgegenradelte, über Stirn und Rücken floßen und die Mücken auf mich aufmerksam machten.

Trotz seiner Nähe, ich bin sozusagen in seinem Schatten aufgewachsen, habe ich den Bözberg noch nie zu Fuß oder mit dem Rad erklommen. Natürlich haben wir viele seiner schönen Wege auf Geocache-Ausflügen in den letzten Jahren erwandert. Aber zu Fuß oder mit dem Rad ganz da rauf? Äh, nein … Wozu gibt es denn Busse und Autos?

Gestern also, nachdem Irgendlink mir schon am Nachmittag geschrieben, dass er diesmal die Strecke durchs Fricktal radeln werde, um zu mir zu gelangen, beschloss ich, meiner Faulheit ins Backend zu treten. Gegen halb acht sattelte ich also meinen Drahtesel. Die Temperatur war perfekt. Nicht mehr soo heiß wie am Nachmittag, nicht zu kühl, als dass ich eine Jacke gebraucht hätte. So strampelte ich quer durch den Ort, am Amphitheater vorbei, unter der Bahnlinie durch in die nahe Kleinstadt. Über die Aarebrücke gelangte ich schließlich zum Radweg 56, auf dem wir uns irgendwo treffen würden. In einer Stunde oder in zweien.

Da ich, wie gesagt, noch nie mit dem Rad auf den Bözberg geradelt bin, wusste ich bisher auch nicht, was ich verpasst hatte. Da gibt es doch tatsächlich ab Riniken einen richtig schönen, teils von Autos nicht befahrbaren, Radweg. Nun ja, über seine Steilheit konnte mich aber auch seine Schönheit nicht hinwegtäuschen.

Kaum auf dem Rad hatte ich vom Büromodus in den Ferienmodus umschalten können und mit jedem der Steigung geschuldeten Schweisstropfen, der mir über Rücken und Gesicht floss, gelang es mir besser. Nach den allersteilsten Stücken, auf welchen ich meist meine geräderte Gefährtin neben mir hergeschoben hatte, erreichte ich die schließlich die Siedlungen auf dem Pass, zuerst Unterbözberg mit seinen drei Häfen, die vermtulich aus der Zeit der gestrandeten Arche Noahs stammen, später den Ursprung, den Ort Bözberg himself.

In der Nase der Duft frischen Heus, Gras und Wiesenblumen sonnengetrocknet, neben jenen ganz besonderen Gerüchen, die in Waldnähe aufsteigen, wenn es Abend wird. Denn um diese Zeit riecht alles intensiver als tagsüber. In meinem Herz dehnte sich ein großer Jubel aus, ein Stück wiedergefundene Kindheit, dem Sommerferiengefühl nachempfunden, dass das Kind, das ich war, am letzten Schultag auf dem Nachhauseweg erlebt hat. Und ja, da war auch die Vorfreude auf den Liebsten und auf unsere Wanderung, die morgen beginnt.

Von unterwegs schickten wir uns kurze Threema-Nachrichten hin und her und gaben uns die jeweiligen Standorte durch. Über die Irrungen und Wirrungen auf seiner Strecke gibt es viel zu erzählen.

Hätte Irgendlink sich nicht wegen fehlender Umleitungsschilder verirrt, hätten wir uns wohl woanders und eine halbe Stunde früher getroffen.Hätte-hätte-Fahrradkette. Dann hätte ich aber wohl nicht diese wunderbare Bank am Waldrand gefunden, weil wir uns ja viel früher auf meinem Weg gefunden hätten. Und ich hätte nicht diesen Wald wiedererkannt, in dem wir damals, vor etwa achtzehn Jahren, unsere Frauenrituale gefeiert haben. Auch hätte ich nichts von dieser herrlichen Aussicht über Wiesen, Wälder und in die Ferne gewusst.

Es ist knapp 21 Uhr, als ich mich niederlasse und einfach nur bin. Irgendwann steigen Lieder auf und so sitze ich singend auf der Bank als von rechts ein Radler näher kommt, im Slalom fahrend und schon von weitem übers ganze Gesicht strahlend. Bald packt der Spitzbub Irgendlink zwei Spitzbuben* aus. Und teilt sie mit seinem Spitzmädel, dem wiedergefunden.

SpitzeEs ist schon dunkel, als wir endlich ins Tal hinunter fahren, zehn Kilometer ungefähr, und auch die nicht ganz ohne Steigungen. Ich bin froh, dass mir Irgendlink aus seinem Fundus einen Faserpelz und ein paar Socken ausleiht, denn auf dem Berg – nun ja 569 m ü. Meer, aber Berg ist Berg – ist es deutlich kühler als im Tal unten.

Mit einer späten Brotzeit runden wir »Tag minus 1« ab und als wir ins Bett schlüpfen, hat auch schon »Tag 0« begonnen.

Unser letzter Tag vor Reisebeginn ist traditionellerweise den letzten Vorbereitungen gewidmet, Wäsche waschen, die mit soll, zum Beispiel, letzte Dinge einkaufen, packen. Und Schreiben natürlich auch.


* Die Kekse auf dem Bild heißen in der Schweiz Spitzbuben

21 thoughts on “Tag 0 | #Flussnoten


    1. Ja, das glaub ich dir gerne. Sie sind ja auch klasse, die gebackenen ebenso wie jene aus Fleisch und Blut. Naschwerk vom feinsten. 🙂
      Danke dir – das wünsche ich dir und Mary auch.


  1. Fröhliche und sonnige Tage wünsch ich euch. Lasst es euch gut gehen. 🙂

    Ganz liebe Grüße mit auf euren Weg,
    Szintilla


    1. Oh, danke, liebe Szintilla, herzlich sogar, weil mit guten Wünschen besser wandern ist. Und lass es auch du dir gut gehen! Versprochen?!
      Herzliche Grüße noch mit Dach überm Kopf.


  2. Einfach nur schön, wie du und Irgendlink nun schon im Reisemodus angekommen seid. Schon bekommen die Worte einen Klang von vorwärts, weitergehen und Himmel über allem!

    Ich freue mich sehr auf eure Berichte…
    alles andere schrieb ich schon woanders, hier lasse ich jetzt nur noch einen Herzensgruss an dich und Jürgen zurück
    Ulli


    1. Es tut gut, dich hinter uns zu wissen, wie Rückenwind ist das. Danke dir, du Liebe und auch dir wünschen wir beide einen wunderbaren Sommer!


  3. Genießt die Gemeinsamkeit, die Bewegung, das Unterwegs sein, den alten Lauf des Rheins.
    Und nehmt die Bloggerei entspannt und heiter.


    1. Yesss, genauso sehen wir es. Danke dir herzlich, dass du im Rückenwind-Team mit dabei bist!


  4. Nun auch hier noch meine besten Herzenswünsche für Euch, Euer Unterwegssein, Eure Schritte, Euren Weg, Euren Erdkontakt. Hach, ich freue mich hier mitzulesen, mich mittragen zu lassen (gerade in diesen Wochen), mich in Eure Worte, Bilder, Wortbilder zu versenken. Habt es gut, im ganz tiefen umfassenden Sinne, und kehrt heil zurück. Eine Umarmung für Euch von mir.


    1. Ich danke dir, wir danken dir für den Rückenwind aus deiner Richtung! Es tut echt sooo gut.


  5. diesen duft kenne ich gut und hatte ihn eben kurz in der nase, obwohl es früh am tag ist.
    kühl und frisch und neu.
    ich lese mich jetzt durch eure ersten wandertage und laufe euch virtuell hinterher. bis wir uns vielleicht nachher irgendwo treffen. ich freue mich. *wink*


    1. Hach schön, dass du da bist und mitwanderst. Mir kommt es schon ewig lang her vor!
      Deine Seifen sind immer dabei!


          1. schick mir mal son foto. ich mach einen blogeintrag und verlinke euch.

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