Das Schmerzding

[SoSo] Gibt es ein Talent für Schmerz?

Da ist diese Seite an mir, die mich an mir ziemlich nervt: Ich komme ziemlich schlecht mit Stress- und Schmerzsituationen klar. Insbesondere, wenn sie im Rudel auftreten. 

Blasen an den Füßen plus Hitze plus unmoderate Steigung plus Bauchkrämpfe plus wenig Schlaf – die Liste mit den möglichen und beliebig miteinander kombinierbaren Elemente ließe sich endlos erweitern.

Gestern war sie jedenfalls sooo lang, dass ich einfach nur litt. An den Schmerzen und an meiner Unfähigkeit, sie adäquat handzuhaben. Diese Art Leid, das – wie ich längst (zumindest theoretisch) weiß – niemandem etwas bringt, nichts verändert und nur Kraft kostet.

„Sag, hast du eigentlich auch wehe Knochen und Muskeln?“, fragte ich den Liebsten heute Morgen. „Nicht, dass ich es dir wünsche, aber ich würde mich ein wenig weniger memmenhaft fühlen.“

Da zählte er doch tatsächlich auf, was ihm so alles wehtut oder wehgetan hat – und nicht eben wenig. Und ja, ein wenig relativiert es meinen Schmerz da und hier und dort, vor allem aber bringt es mich mal wieder auf das Thema Kräfte und Gegenkräfte, über welches Irgendlink ja schon oft gebloggt hat.

Es ist ja nämlich nicht nur der Schmerz an sich, sondern eher noch mein Umgang mit ihm, der mich leiden lässt. Meine Bewertung der Dinge. Die Relativierung.

Ich nehme Schmerz gleichsam persönlich. Nicht unbedingt so, dass ich jemandem für meinen Schmerz die Schuld gebe, eher so, dass ich mich durch Schmerzen pauschal vom Leben bestraft fühle. Absurd, natürlich, ich weiß. 

So philosophieren wir wandernd weiter, denn inzwischen haben wir gefrühstückt, gepackt und meine Blasen sind gepflastert. Keine fünfzig Meter später finden wir ein Bächlein und bald einen schönen Lagerplatz am andern. Überhaupt – der Weg ist wunderschön und wandert sich angenehm.

Ein kleiner Rheinzufluss mit Brücke und Wasserfall, keine halbe Stunde nach dem Loslaufen, bezaubert uns nachgerade. Wir machen die erste Pause und füllen die Wasserflaschen. Ich wasche mich. Meditiere. Staune. Versuche den Ich-bin-heute-gereizt!-Schalter umzulegen.

Und ja, irgendwie geht es Schritt für Schritt besser und der Tag entwickelt sich auf eine Weise, die wir beide nicht geahnt haben.

Geschrieben auf dem Zeltplatz in Rueras. Im Zelt. Bei Regen.

Dritte Tagesstrecke:

9 thoughts on “Das Schmerzding


  1. Es fällt schwer, „gefällt mir“ zu klicken. Weil es mir eben nicht gefällt, was Du über Dein Leiden, euer Leiden schreibst — ehrlich gesagt, macht es mir sogar Angst vor meinem Vorhaben.

    Und doch … irgendwie … es reizt mich zu erfahren, wie es mir so gehen wird …


    1. Das ist der „berühmt-berüchtigte dritte Tag“. Außerdem hormonell anstrengend. Muskelkater geht vorbei, Blasen heilen und ich lerne wortwörtlich zu relativieren. Eins meiner wichtigsten Lernziele.
      Wer nie wagt, weiß nicht ob er es geschafft hätte.
      Go, Emil, go!


      1. Ja, am Sonntag in der Saaleaue war Testgang mit Kampfgewicht im Rucksack (16 kg) — die noch nicht vollständig eingelaufnen Schuhe mußte ich wechseln …

        (Wenn da nicht die Angst vor der eignen Courage wär.)


        1. Kampfgewicht kenn ich nicht, aber unsere sind so um die 14kg (geschätzt).
          Du schaffst das!


  2. Im Zelt geschrieben bei Regen nach alldem, so hört es sich nach Pause an, nach ausruhen und morgen dann weiterschauen und vielleicht auch weitergehen. Der Schmerz ist da, er wird aber grösser und grösser, wenn wir uns nichr umschauen!
    Ach … heute wieder Kopf-Salat!
    Liebgrüss ins Zelt hinein
    Ulli


    1. Ja, da ist Ruhe. Sie wächst. Und da ist wieder lachen, mehr als gestern. Ich übe. Und ich gehe. Aber jetzt ruhe ich.
      Danke dir!


  3. wo du es sagst
    ich habe mich schon gefragt wie andere damit umgehen
    in der zeit mit dem wanderbär waren wir einige mal übers wochenende wandern
    mein rucksack war immer zu schwer
    am abend lag ich mit schüttelfrost und blasen unter den füßen
    morgens kam ich kaum von der isomatte hoch
    so bin ich nie bis zum verflixten dritten tag gekommen
    dabei träume ich immer noch vom einmal quer durchs land wandern
    allerliebste grüße und beste genesungswünsche für schmerzende körperstellen
    auf dass bald die füße von allein wandern und der kopf frei ist für die kleinen wunder am wegrand
    birgit


    1. Ooooh, das tut mir leid für dich. Die Erfahrung vom letzten Mal – zur Reussquelle auf den Gotthard – war genau die: Abbruchgedanken am dritten Tag, unterstützt von Schlechtwetterprognosen. Das geht an die Substanz.
      Damals habe ich mich fürs Weitergehen entschieden, diesmal auch.
      Es ist erst meine zweite Mehr-als-zwei-Tage-lange Wanderung übrigens. (Radtouren habe ich schon längere gemacht, einwöchige.)
      Im Grunde ist der dritte Tag mein großer Lehrmeister in Demut.
      Danke für dein Mitwandern!

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