Nachgedanken I | #flussnoten22

Im Rückblick auf unsere Wanderung fallen mir spontan ein paar Begegnungen und Schreckensmomente ein.

Am Campingplatz Brigerbad erkundigt sich die Rezeptionistin bei mir, ob wir schon einen Müllsack haben. Ich sage leichthin und leichtsinnig, dass wir den Müll in Hundekotbeuteln sammeln. (Dass wir dazu selbstverständlich leere, saubere Beutel benutzen, setze ich als selbstverständlich voraus.)

Die beiden Rezeptionistinnen verziehen angeekelt das Gesicht. Das ist aber verboten!, sagt die eine.

Wir sind mit dem Rucksack unterwegs, sage ich, und sammeln unterwegs auch mal Müll in der Natur zusammen. Selber produzieren wir kaum Müll. Das kommt alles in die Kotbeutel, die wir in die öffentlichen Mülleimer werfen, die meines Wissens genau dafür da sind: Unterwegs entstehenden Müll zu sammeln.

Ich stelle fest, dass die beiden Damen wenig Verständnis für unser Verhalten haben. Den mit einer Entsorgungsgebühr belegten Müllsack nehme und bekomme ich nicht und am nächsten Morgen entsorge ich unseren kleinen (Hundekot-)Müllbeutel in einem der öffentlichen Mülleimer auf dem Campingplatz.

Aber wenn das alle so machen würden?

Na ja, wenn alle so wenig Müll wie wir zwei produzieren würden, wäre es tatsächlich weniger vermüllt auf der Welt. Echt jetzt.


Am Morgen nach unserer Nacht auf dem Visper Campingplatz kommen wir mit unserem holländischen Nachbarn ins Gespräch. Über Wohnorte und Autonummerschilder kommen wir vom Hundertsten ins Tausendste.

Er erzählt, dass er heute mit seiner Familie auf den Aletschgletscher fährt. Damit die Kinder noch einen Gletscher sehen können. Wenn es in zwanzig Jahren keine Gletscher mehr gibt, können sie sich wenigstens daran erinnern, als Kinder einen gesehen zu haben.

In unseren Stimmen schwingt Galgenhumor mit. Und in meiner eine große Portion Trauer. Die Endgültigkeit der Klimakatastrophe haut mich immer mal wieder hart aus den Socken.


Unterweg passieren Dinge, die mir noch nie passiert sind. Oder jedenfalls nicht so geballt.

Schon am ersten Abend trete ich auf meine heruntergefallene Brille. Dank stabilem Gestell und Kunststoffgläsern und dank der weichen Unterlage (Gras) ist der Schaden gering. Mit der Zange meines Schweizermessers biege ich die Bügel wieder hin (nicht zum ersten Mal).

Ich hänge meine Powerbank ans Solarpanel und binde mir dieses an die Außenseite meines Rucksacks. Eigentlich eine gute Idee, wenn da nicht die Buchse meiner Powerbank schon ziemlich ausgeleiert wäre. Schließlich verbiegt sich die Spitze des Kabels und ich habe ab sofort kein funktionierendes Ladekabel mehr. Zum Glück lässt mich Irgendlink mein Handy an seiner Powerbank laden, bis ich mir beim nächsten Coop ein neues Ladekabel kaufen kann. Lehrgeld. Dass ich den gleichen Fehler nochmals machen werde, weiß ich da noch nicht.

Ich hänge später das Handy direkt via Kabel ans Solarpanel und, wen wunderts, auch dieses Kabel geht kaputt: es bricht sogar ab. Das ist viel dramatischer als die unladbare Powerbank, ist doch das Handy Fotoapparat, Navigationsgerät, Blogmaschine und Datensammelgerät. Das ist wirklich sehr schlimm für mich.

Wir müssen eh einkaufen, darum steigen wir vom Berg herunter ins Tal und können am Tag darauf ein neues Ladekabel und eine neue Powerbank kaufen. Dinge, die ich fortan besser hüte. Die Lernkurve steigt.

Am vorletzten Tag setze ich mich beim Rasten auf meine Sonnenbrille und schon wieder kommt das Schweizermesser zum Einsatz. Da fallen mir auf einmal meine Hörgeräte ein: Wo habe ich die eigentlich hingetan, neulich, als wir gebadet haben? Nein, hier sind sie nicht. Aber ich habe sie doch darein gelegt! Verloren! Verloren? Mist. Sie sind die zwei teuersten Gegenstände, die ich mit dabei habe. Und auf einmal fällt mir ein, wo sie noch sein könnten. Und da sind sie auch: Wohlbehalten und sicher.

»Das Haus verliert nichts!«, sagt Irgendlink, wann immer ich etwas verloren glaube. Und tatsächlich haben wir nichts verloren. Und das macht mich sehr dankbar.

Apropos Dankbarkeit. Fortsetzung folgt demnächst in diesem Theater.

5 thoughts on “Nachgedanken I | #flussnoten22


  1. wenns kommt dann kommts dicke – das ist eine alte bauern regel …
    am meisten ärgert mich dann meine fehlende souveränität und dass ich die situation erst einmal nicht annehmen kann/will poah
    aber lachen musst ich bei dem gedanken ob die damen vom campingplatz wohl dachten dass ihr benutzte hundkotbeutel …
    wobei auch der name schon ein bisschen eklig ist hihi
    ich hoffe es geht dir besser
    allerliebste grüße


    1. Ich denke, die beiden Damen haben da nicht wirklich drüber nachgedacht. Es ist ja ein Über-den-Tellerrand-Gucken, das manche einfach nicht können.
      Ich bin erst einmal auch unsouverän, bin kurz kindisch-trotzig und brauche eine Zeit lang, um adäquat handeln, reagieren zu können.
      Ja, mir gehts nach vier Tagen mit Antibiotikum wieder besser zum Glück. Die Ärztin war zufrieden.

      Danke für deine Zeilen! ☺️


  2. @SoSo Ich hab noch gar nicht geschrieben, wie spannend ich es fand, eure verkürzte Reise fast live mitzubekommen. Es ist anders, in gewisser Weise authentischer, als wenn man erst hinterher einen Bericht schreibt; selbst aus nur 14 Tagen Distanz wirkt schon der eine oder andere Filter auf die Erinnerung ein und nivelliert die Extreme ein bisschen, an beiden Enden. Jedenfalls drücke ich Däumchen, dass ihr bald Gelegenheit für die nächste Tour habt 🙂


    1. Oh, Danke auch hier noch.

      (Ist ja toll, dass die Kommentare vom Fediversum hier im Blog angezeigt werden!)

Schreibe einen Kommentar zu SoSo Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert